Werner von Siemens
Werner von Siemens, ursprünglich Ernst Werner Siemens, wurde am 13. Dezember 1816 in Lenthe geboren und starb am 6. Dezember 1892 in Charlottenburg. Er war ein bedeutender deutscher Erfinder, Elektroingenieur und Industrieller, der das dynamoelektrische Prinzip entdeckte und als einer der Begründer der Elektrotechnik gilt.
Werner von Siemens, um 1885
Inhaltsverzeichnis:
1. Frühes Leben
2. Wichtige Erfindungen
3. Unternehmerische Tätigkeiten
4. Politisches und soziales Engagement
5. Ehrungen und Nachwirkungen
1. Frühes Leben
Werner von Siemens, geboren in einer angesehenen Familie, die tief in der Geschichte Goslars verwurzelt ist, kam am 13. Dezember 1816 als viertes von vierzehn Kindern zur Welt. Seine Eltern, der Gutspächter Christian Ferdinand Siemens und Eleonore Henriette Deichmann, zogen 1823 nach Mecklenburg, wo sein Vater die Domäne Menzendorf übernahm. Trotz des familiären Einsatzes blieben wirtschaftliche Erfolge aus, was die Familie finanziell stark belastete.
Werners frühe Bildung war eine Kombination aus häuslichem Unterricht und Schulbildung. Nachdem er anfänglich zu Hause von seiner Großmutter und seinem Vater unterrichtet wurde, besuchte er von 1828 bis 1829 die Bürgerschule in Schönberg und erhielt anschließend drei Jahre Privatunterricht. Ab 1832 setzte er seine Ausbildung am Katharineum zu Lübeck fort, wo er besonders in Mathematik glänzte und dafür in eine höhere Klasse versetzt wurde. 1834 verließ er jedoch das Gymnasium vorzeitig ohne Abschluss. Angesichts der finanziellen Lage seiner Familie war ein Studium für Siemens nicht möglich. Auf Empfehlung seines Lehrers entschied er sich, eine militärische Laufbahn in Preußen zu verfolgen. Nachdem ihm der Eintritt ins Ingenieurkorps aufgrund langer Wartezeiten verwehrt blieb, bewarb er sich erfolgreich bei der preußischen Artillerie, wo er 1835 als Offizieranwärter angenommen wurde. Seine Ausbildung an der Berliner Artillerie- und Ingenieurschule umfasste intensive Studien in Naturwissenschaften und technischen Disziplinen und wurde durch Vorlesungen an der Universität Berlin ergänzt. 1838 schloss er seine Ausbildung als Artillerie-Leutnant ab.
Werner Siemens als Seconde-Lieutenant der preußischen Artillerie, 1842
Während seiner Zeit in Magdeburg und Wittenberg machte Siemens erste bedeutende technische Entwicklungen und wurde wegen seiner Beteiligung an einem Duell zu Festungshaft verurteilt, die er jedoch für weitere Experimente nutzte, unter anderem entwickelte er ein Verfahren zur Galvanisierung. Nach seiner Begnadigung wurde Siemens 1842 nach Berlin versetzt, wo er seine technischen Fähigkeiten weiterentwickelte. Während des Schleswig-Holsteinischen Krieges trug er 1848 zur Verteidigung Kiels bei, indem er funktionsfähige ferngezündete Seeminen entwickelte. Nach dem Krieg konzentrierte er sich auf seine Erfindungen und begann, praktische Anwendungen für seine Ideen zu suchen, was zur Entwicklung mehrerer Geräte und Verfahren führte. In den folgenden Jahren gründete Werner von Siemens die Grundlagen für seine späteren unternehmerischen Erfolge und legte mit seinen Erfindungen und technologischen Fortschritten den Grundstein für die moderne Elektrotechnik. Sein Einfluss und seine Innovationen prägen bis heute die globale Technologielandschaft.
2. Wichtige Erfindungen
Werner von Siemens' Pioniergeist zeigte sich bereits in den 1840er Jahren, als er das Verfahren zur Galvanisierung entwickelte, das es ermöglichte, Objekte mit einer dünnen Metallschicht zu überziehen. 1842 erfand er ein Verfahren, um Teelöffel aus Neusilber mittels Gleichstrom aus Batterien galvanisch mit Silber oder Gold zu beschichten. Das Verfahren, für das er sein erstes Patent erhielt, verkaufte er erfolgreich an einen Juwelier. Die Erlöse aus diesem Geschäft investierte er in die Ausbildung seines Bruders Wilhelm in England, einem Zentrum der industriellen Revolution.
Telegrafie und Kabeltechnik
Siemens' Durchbrüche in der Telegrafentechnologie begannen Ende 1846 mit der Entwicklung des elektrischen Zeigertelegrafen, der durch seine Selbstunterbrechung eine erhebliche Verbesserung darstellte. Ein weiterer bedeutender Fortschritt war 1847 die Erfindung eines Verfahrens zur Isolierung von Drähten mit Guttapercha, einer Art Naturkautschuk. Dieses Verfahren revolutionierte die Produktion elektrischer Kabel und bildet bis heute die Grundlage für die Herstellung isolierter Leitungen.
Maschinentelegraf von Siemens Brothers & Co. Ltd, London
Ozonröhre und Gegenstromprinzip
1857 machte Siemens zwei weitere wichtige Erfindungen: die Ozonröhre und das Gegenstromprinzip. Die Ozonröhre nutzte elektrisch erzeugtes Ozon zur Wasserreinigung und war ein frühes Beispiel für die Anwendung von Elektrizität in der Umwelttechnologie. Das Gegenstromprinzip, ebenfalls 1857 formuliert, verbesserte die Effizienz in verschiedenen technischen Anwendungen und ist ein zentrales Konzept in der Verfahrenstechnik.
Dynamoelektrisches Prinzip und der erste elektrische Generator
Der vielleicht wichtigste Beitrag von Werner Siemens zur Elektrotechnik war die Entdeckung des dynamoelektrischen Prinzips im Jahr 1866, das er 1867 publizierte. Dieses Prinzip bildet die Grundlage für die Konstruktion des ersten funktionsfähigen elektrischen Generators, den Siemens 1866 entwickelte. Diese Erfindung ermöglichte die großtechnische Erzeugung elektrischer Energie und legte den Grundstein für die Verwendung von Elektromotoren in der Industrie. Der von Siemens entwickelte Generator leitete eine Ära ein, in der elektrische Energie die industrielle Produktion transformierte und letztlich die zweite industrielle Revolution vorantrieb. Siemens' Erkenntnisse trugen maßgeblich zur Ablösung der Dampfmaschinen durch elektrische und Verbrennungsmotoren bei und eröffneten neue Möglichkeiten in fast allen Bereichen der Technik und Industrie. Obwohl andere, wie Søren Hjorth und Ányos Jedlik, ähnliche Entdeckungen gemacht hatten, war Siemens der erste, der die praktische Anwendung und das enorme Potential der elektrischen Energie vollständig erfasste und umsetzte.
Dynamomaschine 1868
Diese bahnbrechenden Erfindungen prägten nicht nur die Entwicklung der Elektrotechnik, sondern auch die gesamte technologische Landschaft und hatten tiefgreifende Auswirkungen auf das moderne Leben. Werner von Siemens bleibt damit eine Schlüsselfigur in der Geschichte der Technologie.
3. Unternehmerische Tätigkeiten
Werner von Siemens, ein Pionier der Elektrotechnik und Unternehmer, gründete am 12. Oktober 1847 zusammen mit Johann Georg Halske die Telegraphen Bau-Anstalt von Siemens & Halske in Berlin. Das Startkapital hierfür stammte von Siemens’ Vetter, dem Justizrat Johann Georg Siemens, der eine erhebliche Summe von über 6000 Talern investierte und dafür eine 20-prozentige Gewinnbeteiligung über sechs Jahre erhielt. Diese Partnerschaft zwischen Siemens und Halske erwies sich als ausgesprochen fruchtbar, da beide Männer sich ideal ergänzten – Siemens brachte innovative Ideen und das technische Know-how ein, während Halske die praktische Umsetzung dieser Ideen übernahm. Schon kurz nach der Gründung erhielt das Unternehmen einen bedeutenden Auftrag: den Bau der Telegraphenleitung von Berlin nach Frankfurt am Main, um die Kommunikation zwischen der deutschen Nationalversammlung und Preußen zu verbessern. Dieses Projekt wurde trotz der winterlichen Bedingungen schnell umgesetzt und war politisch von großer Bedeutung, da es die Übermittlung wichtiger Nachrichten ermöglichte. Der Erfolg dieses Projekts etablierte Siemens & Halske rasch als führendes Unternehmen im Bereich der Telegrafentechnik und brachte weitere Aufträge ein, sowohl aus Preußen als auch aus anderen deutschen Staaten.
Elektrolokomotive auf der Berliner Gewerbeausstellung 1879
Um auch auf internationalen Märkten Fuß zu fassen, expandierte Siemens frühzeitig ins Ausland. Er sandte seinen Bruder Wilhelm nach London, um dort eine Niederlassung zu leiten, und bemühte sich um Aufträge in Russland. Der erste große Erfolg in Russland war der Bau von Telegraphenlinien zwischen Warschau und St. Petersburg sowie zwischen St. Petersburg und Moskau in den Jahren 1852 und 1853. Diese Projekte wurden unter der Leitung seines Bruders Carl durchgeführt, der sich schnell als fähiger Unternehmer erwies und später das russische Geschäft als eigenständige Niederlassung leitete. Trotz einiger Rückschläge, wie der gescheiterten Verlegung eines Seekabels durch das Mittelmeer, blieben Werner und seine Brüder risikobereit und innovativ. So gründeten sie 1865 in London die Siemens Brothers & Co., um die internationale Präsenz weiter zu stärken, auch wenn dies zu Meinungsverschiedenheiten mit Halske führte, der risikoreiche Unternehmungen ablehnte. Diese Differenzen führten 1867 zum Ausscheiden von Halske und machten Siemens & Halske zu einem Familienunternehmen unter der Leitung der Siemens-Brüder.
Elektromote von Werner Siemens, Berlin 1882, der erste Oberleitungsbus der Welt
Neben der Telegrafentechnik förderte Werner von Siemens auch innovative Projekte in anderen Bereichen der Elektrotechnik. Bedeutende Meilensteine waren unter anderem die erste elektrische Lokomotive und die erste elektrische Straßenbeleuchtung im Jahr 1879, der erste elektrische Aufzug 1880 und die erste elektrische Straßenbahn 1881 in Berlin. Zudem stellte er 1882 den ersten Oberleitungsbus der Welt vor, der erfolgreich getestet wurde, jedoch nicht dauerhaft in Betrieb genommen wurde. Durch sein unternehmerisches Geschick und seine technischen Innovationen trug Werner von Siemens maßgeblich zur Entwicklung und Expansion des globalen Elektrotechnikmarktes bei und legte den Grundstein für das weiterhin weltweit agierende Unternehmen Siemens AG.
4. Politisches und soziales Engagement
Werner von Siemens war nicht nur ein herausragender Erfinder und Unternehmer, sondern auch politisch und sozial sehr engagiert. Sein Engagement während der Deutschen Revolution 1848/49 und seine Beteiligung an der Gründung der Deutschen Fortschrittspartei zeigten sein Streben nach politischer Mitgestaltung und gesellschaftlichem Fortschritt. Seine Wahl ins Preußische Abgeordnetenhaus 1863 verdeutlichte seine aktive Rolle im politischen Diskurs, besonders im Preußischen Verfassungskonflikt, wo er sich gegen die Politik Otto von Bismarcks stellte, indem er gegen die Indemnitätsvorlage stimmte. Siemens setzte sich intensiv für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen seiner Angestellten ein. Er war überzeugt davon, dass seine Mitarbeiter fair entlohnt werden sollten und sah ihren Anteil am Unternehmenserfolg als essenziell an. Diese Überzeugung führte zur Einführung von Tantiemen für leitende Mitarbeiter und Prämien für die übrigen Angestellten ab den 1860er-Jahren, sowie zur Zahlung einer Inventurprämie, die als frühe Form der Erfolgsbeteiligung angesehen werden kann.
Briefmarke (1992) zum 100. Todestag
Zudem gründete Siemens 1872 die Pensions-, Witwen- und Waisenkasse und führte 1873 die Neun-Stunden-Arbeitstage ein, was die Arbeitswoche auf 54 Stunden reduzierte, während damals noch 72 Stunden üblich waren. Diese sozialen Maßnahmen waren nicht nur aus Altruismus motiviert, sondern dienten auch dazu, qualifizierte Arbeitskräfte an sein Unternehmen zu binden und einen stabilen Mitarbeiterstamm aufzubauen. Sein Einsatz für ein einheitliches Patentschutzgesetz im neu gegründeten Deutschen Reich zeigt sein Engagement für die Stärkung der deutschen Industrie. Siemens vertrat die Ansicht, dass ein Patentgesetz essentiell sei, um die Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen. Nach langem Einsatz, auch in persönlicher Kommunikation mit Bismarck, trat 1877 das Deutsche Patentgesetz in Kraft, dessen Grundzüge bis heute Bestand haben.
Briefmarke (1952) der Serie Männer aus der Geschichte Berlins
Siemens' Gründung des Elektrotechnischen Vereins zusammen mit Heinrich von Stephan 1879 und die Prägung des Begriffs „Elektrotechnik“ waren weitere Beiträge zur Förderung der technischen Bildung in Deutschland. Durch sein Engagement wurden zahlreiche Lehrstühle für Elektrotechnik an Technischen Hochschulen geschaffen. Auch seine Leidenschaft für die Wissenschaft kam in seiner Unterstützung für die Physikalisch-Technische Reichsanstalt zum Ausdruck, für die er ein Grundstück bereitstellte, und in seinem Kauf des Archaeopteryx-Fossils, das er der Wissenschaft zukommen ließ, anstatt es ins Ausland verkaufen zu lassen.
5. Ehrungen und Nachwirkungen
Werner von Siemens erhielt im Laufe seines Lebens zahlreiche Anerkennungen und Auszeichnungen, die seine herausragenden Beiträge zur Entwicklung der Elektrotechnik und seinen Einfluss auf die industrielle Revolution in Deutschland würdigten. Bereits 1860 ehrte ihn die Universität Berlin mit der Würde eines Ehrendoktors von der philosophischen Fakultät. Seine innovativen Arbeiten wurden international anerkannt, wie auf der Weltausstellung in Paris 1867, wo Siemens für seinen nach dem dynamoelektrischen Prinzip arbeitenden Generator mit der Ritterschaft der Ehrenlegion ausgezeichnet wurde. Sein Engagement in der wissenschaftlichen Gemeinschaft führte 1874 zu seiner Aufnahme in die Preußische Akademie der Wissenschaften, wo er regelmäßig Vorträge hielt und seine Forschungen veröffentlichte. Der Verein Deutscher Ingenieure würdigte seine Verdienste im selben Jahr mit der Ehrenmitgliedschaft. Seine beruflichen und wissenschaftlichen Leistungen brachten ihm zudem Titel wie den des Geheimen Regierungsrats und 1886 den prestigeträchtigen Orden Pour le Mérite für Kunst und Wissenschaften ein. Sein Engagement und seine Beiträge zur Förderung der Wissenschaften wurden weiterhin anerkannt, als er 1887 als Mitglied in die Leopoldina gewählt wurde und Kaiser Friedrich III. ihn 1888 in den Adelsstand erhob.
20 Reichsmark (1929)
Siemens hinterließ nicht nur durch seine Erfindungen und sein unternehmerisches Wirken Spuren, sondern auch durch seine Beiträge zur öffentlichen Wahrnehmung der Elektrotechnik und Wissenschaft. Er war ein Pionier, der die SI-Einheit des elektrischen Leitwerts, Siemens, prägte, eine Einheit, die bis heute seinen Namen trägt. Überdies wurde eine Pflanzengattung nach ihm benannt, Siemensia, was seine Bedeutung auch in der biologischen Taxonomie unterstreicht. Sein Vermächtnis ist auch in zahlreichen Denkmälern und Büsten verewigt, die seine Leistungen und seinen Einfluss auf die deutsche und internationale Wissenschafts- und Techniklandschaft ehren. Zu den bedeutendsten zählen die Büsten und Skulpturen von namhaften Künstlern wie Adolf von Hildebrand und Wilhelm Wandschneider, die in verschiedenen deutschen Städten aufgestellt sind. Besonders hervorzuheben ist das Bronzedenkmal vor dem Hauptgebäude der TU Berlin, das 2006 restauriert und neu aufgestellt wurde, sowie die Gedenkplatten und Reliefs, die sein Bildnis und sein Wirken festhalten.
Familiengrabstätte der Familie von Siemens auf dem Südwestkirchhof
Werner von Siemens' Tod im Jahr 1892 markierte das Ende einer Ära, doch sein Einfluss auf die Technik und Gesellschaft ist bis heute spürbar. Sein Leben und Wirken werden in zahlreichen Museen und durch stetige Würdigungen in wissenschaftlichen und technischen Kreisen geehrt, was sein andauerndes Erbe in der Geschichte der Technologie und Industrie belegt.
Quellen:
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Werner_von_Siemens#Der_Unternehmer
[2] https://www.dhm.de/lemo/biografie/werner-von-siemens.html