3.64 Owin, Hannover
1924 handelte Oskar Winter noch mit Eisenwaren und Öfen. Sein Schwiegersohn, der diplomierte Ingenieur Ernst Plathner konnte ihn überzeugen, dass das Radio eine Investition wert sei. Im März 1924 erhielt Owin die RTV-Zulassung und alsbald begann die Produktion. Detektorapparate und Radio-Einzelteile wurden gefertigt, 1925 auch Röhrengeräte. Plathner muss ein begeisterter Kurzwellen Amateur gewesen sein. Er bekam die Funk-Versuchsgenehmigung für den firmeneigenen Sender (Kj 5). Ende 1924 strahlte Plathner auf Mittelwelle Musiksendungen aus – das war sicher nicht legal.
1925/26 konnten entsprechend lizenzierte Personen oder Institutionen bei Owin nicht nur einen der ersten in Deutschland hergestellten Zweiröhren KW Empfänger kaufen, die KurzwellenPioniere dieses Hauses bauten auch KW Sender, bestückt mit der RS 5.
Aus: „R. Wunder: Die kurzen Wellen, 1926“. Owin-KW-Sender Kj 5 (oben) und KW-Empfänger (durch die verlängerte Achse werden Handkapazitäten beim Abstimmvorgang vermieden).
Ob die Owin GmbH – von Detektorapparaten abgesehen – 1924 schon Empfänger offerierte, ist fraglich, wahrscheinlich kamen sie erst Anfang 1925 auf den Markt. Batteriegeräte – die meisten in offener Bauweise – blieben bis 1929 im Fertigungsprogramm.
Inserat aus: „Radio-Umschau“, März 1925
„An den Gehäusemaßen sparen“ – das könnte Oskar Winter gesagt haben, als sein Schwiegersohn 1925 diese Owin-Kombination, bestehend aus dem Audion DE 1 R und dem NF-Verstärker DV 2 S konstruierte. 12 x 9 x 6 cm – das sind die Innenmaße der vollgepackten Gerätchen. Für den Heizregler war auf der Ebonitplatte des Audions gar kein Platz mehr, er wurde seitlich eingesetzt. Das abgebildete DE 1 R durfte erst nach dem September 1925 auf den deutschen Markt kommen, zuvor lieferte Owin (siehe Inserat oben) dieselbe Type als DE 1 mit eingebauten Spulen. Nur vereinzelt findet man industriell gefertigte Detektorempfänger mit vertikal angeordneten Schiebespulen, die meisten dieser Art wurden im Ausland gefertigt. Owin hatte 1924/25 einen solchen im Lieferprogramm.
Dieses Owin-Vierröhrengerät E 16, Baujahr 1925/26, hat auch nur einen Kreis, nach dem Audion aber drei widerstandsgekoppelte NF-Verstärkerstufen. Zwei der Heizregler sitzen vorn, die andern zwei (man sparte wieder am Gehäuse) an der Seite links. Mit dem Lautsprecher hörte man am Buchsenpaar rechts, mit dem Kopfhörer am linken.
Inserat aus: „Der Deutsche Rundfunk“, Januar 1925
1926 vergab Owin die Generalvertretung an die „Mira“ – die „Mitteldeutsche Radio GmbH“ mit Sitz in Frankfurt. Damit wurde sie in den Verkaufsbezirken Hannover und Frankfurt erfolgreich. Überregional bekannt wurde sie jedoch erst mit ihren Netzempfängern, welche ab 1929 in die Illustrierten Radio-Kataloge kamen.
Inserat aus „Radio-Umschau“, 1925
Owin begann 1928 mit der Produktion von Netzanschlussempfängern. Gut verkauft wurden sie aber erst, als 1929 und 1931 verschiedene Typen in den überregionalen Katalogen beschrieben wurden.
Im Hintergrund dieser Abbildung steht ein sehr schön aufgebautes MW / LW-Truhengerät, welches die Firma Oskar Winter 1927/28 auf den Markt brachte. Dieser Dreiröhren-Einkreisempfänger E 27 enthält die einstellbaren Owin-Koppelspulen. Sie wurden, wie auch alle anderen Bauteile, im eigenen Hause produziert und nebenher über den Handel als „Bastler-Einzelteile“ verkauft.
Vorn im Bild unten steht das offene Modell E 1001. Billige Batteriegeräte dieser Art waren 1929 noch bei verschiedenen Radio-Herstellern in den Lieferlisten. Wie üblich kostete es auch bei Owin 39,50 Mark.
Mehrere Netzanschlussempfänger brachte Oskar Winter Ende der Zwanziger auf den Markt, alle in der hier abgebildeten Bauform. Die Sendereinstellung betreffend schien die Entwicklung bei Owin einen Schritt zurückgegangen zu sein: Während der Zweikreiser E 9 W von 1929 schon die „Einknopfbedienung“ hatte, findet man an dem hier abgebildeten E 11 W von 1930 zwei getrennte Einstellräder vor. Beide Modelle haben dieselbe Röhrenbestückung: RENS 1204, zwei REN 1004, RE 134 und RGN 1054. Im Hintergrund: der „neue Philips-Volkslautsprecher“, Typ 2042, ebenfalls Baujahr 1930.
Im Illustrierten Radiokatalog von 1929 stand nur der Vierröhren-Schirmgitter-Netzempfänger E 9 W und 1930 versäumte es Owin, die neuen Typen E 11, 16, 22 und 26 in den Katalog zu bringen. Beim größten dieser Serie – dem E 26 W – handelte es sich um einen Fünfröhren-Fernempfänger mit zwei HF-Schirmgitterstufen, einer Audion- und zwei NF-Stufen mit der Kraft-Endröhre RE 304.
Für das oben abgebildete Modell E 11 W (oder G) wurde ein passender Tisch mit eingebautem Lautsprecher angeboten.
Der Katalog 1931 enthält dann wieder sämtliche Neuentwickelten: die Typen E 28, 29, 33, 41 und 42, alle wahlweise mit eingebauten Lautsprechern.
1930 kamen schlechte Zeiten für die Stehgeiger und Pianisten, welche ihr Geld in Cafés verdienen mussten: die elektrische Schallplattenwiedergabe machte ihnen Konkurrenz. Auch Owin brachte entsprechende Geräte auf den Markt – das Bild zeigt die Radio-Phono-Kombination Type VL 1 W. Empfangsseitig enthält sie einen schlichten Einkreiser, die Endstufe aber wurde mit der RE 604 bestückt. Geeignete Lautsprecher dafür montierte man meist hinter Schallwände, die in einer Ecke des Lokals schräg aufgehängt wurden.
Diesen Einkreiser offerierte Owin 1931 nahezu baugleich als Type E 30 W und 33 W, beide mit den Röhren: RENS 1204, REN 804 oder 904, RE 134 und RGN 354. Bei dem hier abgebildeten Gerät steht auf der Rückwand: E 33 W und im Typenschild wurde nachträglich eingeschlagen: E 30 W. Owin war offensichtlich selbst etwas durch-einander.
Den hinter dem E 30/33 stehenden Eloden-Lautsprecher „Rundfunk“ gab es schon im Jahr 1929.
1933 brachte Owin wieder recht schöne und solid aufgebaute Radioapparate auf den Markt. Besonders beliebt ist die oben abgerundete Kombination R 52 W oder G. Die größeren Modelle (E 52, E/L 55) und auch die Musikschränke G 52 W/G hatten Rechteckformen mit abgerundeten Ecken.
Das oben abgebildete Chassis gehört zur Type E 44 W von 1932 und aus dem selben Jahr stammt das links abgebildete Fünfröhren-Dreikreisgerät.
Zehn Jahre nach der Gründung erreichte das Unternehmen seinen Höhepunkt. Fast 1.000 Beschäftigte arbeiteten 1934 in den Hannoverschen Betrieben. In diesem Jahr erschien neben den Geradeausempfängern der einzige Owin Superhet: das Meisterstück L 96 W.
1935 offerierten die Hannoveraner vier Modelle: den Einkreiser Kadett L 111 W, den Zweikreiser Adjutant L 122 W, einen weiteren Zweikreiser Kapitän L 133 W sowie den Dreikreiser General L 144 W. Die beiden letztgenannten wurden mit einer „Lichtbild-Skala“ ausgestattet, von der man angenommen hatte, sie sei der Sachsenwerk-AG geschützt.
1935 glaubte noch niemand, dass sich über der Owin-Gesellschaft dunkle Wolken zusammenbrauen könnten. Ob der von Brandt Radio Berlin nach Hannover gewechselte Entwicklungschef zur Ursache des folgenden Ruins wurde? Es ging schnell bergab – mit der Firma. Nach zwölfjähriger Existenz endete das Unternehmen 1936 mit einem Konkurs.
Ernst Plathner gründete eine neue Firma (siehe Inserat), welche auch in der Nachkriegszeit noch Kleintransformatoren offerierte. Auch sie endete, wie „radio mentor“ im Heft 9/1953 berichtete, mit einem Vergleich.
Allseits bekannt sind die „Kinoskalen-Empfänger“ von Sachsenwerk, weniger die zwei Owin-Modelle aus 1935, welche auch mit sogenannten „Lichtbild-Skalen“ ausgestattet wurden.
Kapitän L 133 hieß der etwas kleinere Zweikreiser, General L 144 der hier abgebildete Vierröhren-Drei-kreisempfänger, bestückt mit den Röhren: AF 3, AF 3, AB 2, AF 7, AL 1 und AZ 1.
Dass es sich bei diesem Owin-Modell von 1936 um ein Koffergerät im Sinne des Wortes handelt, bedarf wohl keiner besonderen Erläuterung. Im Koffer-Unterteil ist die Rahmenantenne für den Empfang des Mittel- und Langwellenbereichs eingebaut (Kurzwellen empfing er nicht).
Dieser glücklose Dreikreis-Geradeausempfänger Owin K 36 hatte den viel besseren und preisgünstigeren Braun-Koffersuper BKS 36 zum Konkurrenten. Er dürfte nicht ganz schuldlos gewesen sein am Konkurs, durch den in seinem Erscheinungsjahr 1936 die 12-jährige Existenz der Firma Oskar Winter ihr Ende fand.
Inserat aus „Der Radio-Händler“ vom Juli 1937: Der langjährige Owin-Werkmeister und Konstrukteur H.E. Fütterer machte sich mit einer Spezial-Reparaturwerkstätte selbständig.