4.3 Ingelen, Wien

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Ludwig Neumann, ein Wiener Elektroingenieur, gründete im Jahr 1907 ein Unternehmen, das zunächst elektrotechnische Produkte herstellte. Ab 1923/24, mit dem Aufkommen des Radios, begann Neumann, in diesem neuen Bereich zu produzieren, zunächst Bastler-Einzelteile und Detektorapparate. Der Markenname "Ingelen" setzte sich aus "Ing." und Neumanns Initialen zusammen und wurde als "Ing-el-en" ausgesprochen. Ingelen wurde durch die Produktion von "Ultradyne-Geräten" bekannt, die ab 1925 von Dipl.-Ing. Kontrus entwickelt wurden und auch außerhalb Österreichs Verbreitung fanden.

Ein bemerkenswertes Merkmal der Ingelen-Radios sind die Landkarten auf der Skala, die jeden Sammler faszinieren. Das erste Modell mit einer Hinterglasmalerei war der Ingelen Kosmos im Jahr 1935. Es gab auch bunte Papier-Landkarten, die später einfarbig braun wurden. Um das Kunstwerk zu schaffen, wurden etwa 120 unterschiedlich geformte Glas-Lichtleiter im Lichtkasten eingeklebt, damit der jeweils eingestellte Sender als Leuchtpunkt an der richtigen Stelle erschien. Es gibt rund 15 verschiedene Ausführungen, bei denen die Ländergrenzen an die veränderten Grenzverläufe angepasst wurden. Als Österreich 1938 an das Großdeutsche Reich angeschlossen wurde, wurden auch verschiedene Ingelen-Radios in die Handbücher des deutschen Rundfunkhandels aufgenommen.

 

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Die „Radios mit der Landkarte“ sind nicht nur in Kreisen spezialisierter Radiosammler gefragt – das erklärt ihren hohen Stellenwert. Hier abgebildet ist der Siebenkreis-Super Ingelen Geographic 39 von 1938, dem Jahr des Anschlusses Österreichs an Deutschland. Im Jahr zuvor hatte der Geographic noch die bunte Landkarte mit Österreich als selbständigem Staat. Schnell wurde nun die Landkarte geändert – die Einbeziehung Österreichs ins „Großdeutsche Reich“ sollte auch auf der Ingelen-Skala sichtbar werden.

 

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Im Jahr 1938 hatte Ingelen drei Modelle in ihrem Sortiment, von denen der kleinste Empfänger der Columbus 39 war. Dieses Modell war mit drei roten Röhren bestückt, der EK 2, EF 9, EBL 1 und AZ 1. Die anderen beiden Modelle, Ingelen 539 und Ingelen Geographic 39, hatten dieselbe Stahlröhrenbestückung mit ECH 11, EBF 11, EFM 11, EL 11 und AZ 11, und unterschieden sich nur durch die Skala.

 

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In den WDRG-Katalogen von 1938 und 1939 hatte Ingelen einige "Giganten" aufgeführt, darunter der Gigant 40 von 1939, der hier abgebildet ist. Sein Gehäuse und Gewicht von 27,5 kg sind gigantisch, aber abgesehen davon ist die Röhrenbestückung nicht ungewöhnlich, außer dass er zwei parallel geschaltete EL 11 für zwei Lautsprecher hat. Der Gigant 40 zeichnet sich jedoch durch sein Einbandsfilter, zehn Tasten für die Senderwahl mittels Motorantrieb und drei Kurzwellenbereiche aus. Der erste Kurzwellenbereich umfasst die Wellenlängen von 4,8 bis 14,5 Meter und enthält das 7-m-UKW-Band, auf dem man damals den amplitudenmodulierten Tonkanal eines Fernseh-Versuchssenders empfangen konnte. Ein kleiner Drehknopf links unten am Gerät ist nicht original. Das Rundfunk-Museum Schloss Brunn bewahrt diesen besonderen Giganten auf.

 

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Das Capello-Gigant-Modell wurde in Warschau zusammengebaut, aber das Innenleben stammte von Ingelen. Es verfügt über rote Röhren auf einem glänzenden Chassis und zwei Lautsprecher. Während der Besetzung Polens gelangte es auf unbekannte Weise in den Besitz eines deutschen Offiziers, der es in die Heimat brachte. Nur wenige Exemplare dieses Modells wurden gebaut, weshalb es heute zu den Raritäten unter den außergewöhnlichen Geographic-Empfängern zählt.

 

Während des Zweiten Weltkriegs musste Ingelen Rüstungsgüter produzieren. Alliierte Luftangriffe auf Wien zwangen das Unternehmen, Produktionsstätten nach Niederösterreich und Tirol zu verlagern. Nach dem Krieg gelang es, einen Teil der verlagerten Einrichtungen zurück nach Wien zu bringen und die teilweise zerstörten Fertigungsstätten wiederherzustellen. Das Unternehmen begann mit der Produktion kleiner "Notzeit-Radios", die mit RV 12 P 2000 ausgestattet waren. 1947/48 startete Ingelen die Kleinradioserie Columbus, mit der sie ebenso erfolgreich wurde wie in den 1950er Jahren mit ihren leistungsfähigen UKW-Empfängern und Portable-Radios. Im Jahr 1956 brachte Ingelen Europas erstes teiltransistorisiertes Kofferradio auf den Markt, das TR 56. Die letzten Werkserweiterungen im Jahr 1959 dienten der Fernsehproduktion, die von SEL übernommen wurde, als das Unternehmen 1966 das Ingelen-Werk erwarb. 1987/88 kaufte Nokia nicht nur die Unterhaltungselektronik des in Deutschland ansässigen SEL, sondern erwarb auch das Wiener Unternehmen, dessen Produktion kurz darauf eingestellt wurde.

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