8.13 „Stereo-Rundfunk“ und das Ende der kompakten Großgeräte

Das Jahr 1963 war ein ereignisreiches Jahr für den Rundfunk in Deutschland, da er sein 40-jähriges Bestehen feierte und somit ins "Schwabenalter" kam. Ein prägendes Ereignis war Kennedys berühmter Ausspruch an der Mauer, der den Berlinern immer in Erinnerung bleiben wird. Doch im selben Jahr wurde der beliebte Präsident in Dallas erschossen. Der damals schon fast legendäre 87-jährige Konrad Adenauer trat zurück und Ludwig Erhard wurde sein Nachfolger.

Im Bereich des Rundfunks gab es ebenfalls Neuerungen: Im April 1963 wurde das Zweite Deutsche Fernsehen ins Leben gerufen und Ende August begann das "stereophone Zeitalter" des Hörfunks, zunächst beim SFB auf der Funkausstellung in Berlin. Einige Sender waren der Meinung, dass die Industrie sie unfair bedrängte, aber die Industriellen befürchteten, dass Deutschland seinen technischen Vorsprung verlieren könnte, wenn die HF-Stereotechnik nicht weiter vorangetrieben würde.

 

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Im Jahr 1963 veröffentlichte die Funkschau den Leitartikel von Karl Tetzner. Einige Ausgaben später stellte sich der Elektromeister H. Engels die Frage, warum Stereo im Rundfunk überhaupt notwendig sei. In der Funkschau-Ausgabe 11/63 wurde jedoch herausgefunden, dass es doppelt so viele Befürworter wie Ablehner von Stereo im Rundfunk gab.

 

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Die Betriebsanleitung eines Mende-Konzertschranks von 1958 zeigt, dass zu dieser Zeit nur Stereo-Tonträger verfügbar waren, hauptsächlich in Form von Stereo-Schallplatten. Aus diesem Grund wurden nur die NF-Stufen mit Stereoverstärkern ausgestattet.

Es dauerte sehr lange, bis sich die Sendeanstalten auf die neue Stereo-Technik einließen. Erst nach einiger Zeit begannen die Sender, wenigstens einige ihrer Programme stundenweise in Stereo auszustrahlen. Im Dezember 1965 berichtete die "Funkschau", dass die Stereosender in Bayern noch nicht in Betrieb seien, aber österreichische Stereoprogramme empfangen werden könnten. Die Rundfunkwerke, die in der Zwischenzeit eher zu "Fernsehgerätewerken" geworden waren, erzielten noch gute Umsätze mit ihren hoch entwickelten HiFi-Stereo-Hörfunkgeräten. Allerdings fehlte den meisten Geräten immer noch der HF-Stereodecoder, der im ersten Stereo-Jahr gegebenenfalls als Nachrüst-Zusatz geliefert wurde.

Die Empfänger der ersten Klasse waren meist noch mit Röhren ausgestattet, bis zu 16 Stück pro Gerät. In der zweiten Klasse hatten Transistoren jedoch Einzug gehalten. Im Autoradio waren immer weniger Geräte zu finden, die neben Transistoren auch noch Röhren nutzten. In Koffer- und Taschenradios waren Röhren bereits vollständig vom Transistor verdrängt worden. Nun konnte man Transistoren auch schon in den HF-Stereodecodern der Großgeräte finden. Die Einführung der Stereo-Wiedergabe führte nicht nur zu technischen Veränderungen, sondern stellte auch die Einheit des klassischen Radiosystems erneut in Frage.

 

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Der Philips Saturn Stereo 641 (B 6 D 41 A), der 1965 mit zwei Gegentakt-Endstufen (2 x ELL 80) ausgestattet war, hatte Lautsprecher mit einem Durchmesser von 21 cm, die beidseitig schräg im 73 cm breiten Edelholzgehäuse untergebracht waren. Die Schallwirkung an der Vorderseite war eher begrenzt, und der Eindruck von Stereo hing weitgehend davon ab, wie der seitlich austretende Schall im Raum reflektiert wurde. Daher war der Aufstellungsort für dieses Gerät von besonderer Bedeutung. Es sollte auf keinen Fall einseitig an einer (Schrank-) Wand stehen, sondern vorteilhaft in einem Winkel des Raumes in einer 45-Grad-Aufstellung.

 

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Die SABA-Modelle Freiburg Vollautomatik 12 bis 15 Stereo, insbesondere die Type 12 aus dem Jahr 1962, sind bei Sammlern immer noch sehr beliebt, obwohl die Lautsprechergruppen viel zu eng im Gerät angebracht wurden.

Bis Anfang der 1930er Jahre war es üblich, Empfänger und Lautsprecher wegen des gefürchteten "Röhrenklingens" in getrennten Gehäusen zu platzieren. Mit der Einführung des Zweikanal-Stereo-Verfahrens vor 30 Jahren wurden jedoch Maßnahmen erforderlich, die letztendlich zu diesem "Rückschritt" führten. Die drei Positionen "Lautsprecher - Hörer - Lautsprecher" sollten ein gleichseitiges Dreieck bilden, indem sie zueinander in einem Winkel von jeweils 60° aufgestellt waren. Wenn beide Lautsprecher mit Abständen von wenigen Dezimetern links und rechts im Empfänger eingebaut waren, war dies natürlich nicht der Fall. Daher sollte zumindest einer der Lautsprecher vom Gerät entfernt platziert werden.

 

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Die Radioindustrie empfahl eine bestimmte Anordnung von Lautsprechern und Sitzplätzen für den optimalen HF-Stereo-Genuss.

Bereits Mitte der Fünfziger Jahre war Grundig mit externen "HiFi-Klangstrahlern" auf dem Markt vertreten, insbesondere für die "3-D-Radios". Diese Klangstrahler waren in Form von Nachttisch- oder Stehlampen erhältlich und konnten an beliebigen Orten aufgestellt oder aufgehängt werden. Obwohl sie praktisch waren, galten sie nicht als besonders elegante Lösung.

 

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Obwohl die externen Grundig-Hochton-Lautsprecher in Form von Nachttisch- oder Stehlampen eher bieder aussahen, hatten die Grundig-Akustik-Spezialisten bereits in den 1950er Jahren erkannt, dass nur die Hochtöner den sogenannten "Raumklang" bewirken konnten. Diese Erkenntnis setzte sich jedoch erst später allgemein durch. Erst um die Jahrtausendwende begnügte man sich mit einem "Subwoofer" und verteilte zwei oder mehrere kleine Diskant-Lautsprecher oder "Satelliten" im Raum.

 

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Bis Mitte der 1960er Jahre waren zahlreiche Stereo-Empfänger mit eingebauten Lautsprechern erhältlich und wurden von verschiedenen Firmen angeboten. Einige Empfänger hatten auch einen zweiten Lautsprecher als Anhängsel, der abgenommen und weggestellt werden konnte. Auch diese Modelle erwiesen sich jedoch als vorübergehende Erscheinungen.

 

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Im Jahr 1964 konnte man einen Loewe-Stereo-Phonosuper zum Preis von DM 668,- erwerben.

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Das Besondere an diesem Loewe-Stereo-Phonosuper ist der abtrennbare Lautsprecher, der zur Erweiterung der Stereo-Basis dient.

Letztendlich gab es im Bereich der "HiFi-Stereofonie" nur eine sinnvolle Alternative: die Lautsprecher aus den Komplettgeräten herauszunehmen. Daher begannen Studio-Komponenten, ergänzt durch zwei Lautsprecherboxen, den Markt zu erobern.

 

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Auch die neue HiFi-Generation betrachtete den Transistor nicht mehr als heilige Technologie. Das Telefunken Opus 2550 HiFi, welches ausschließlich mit Röhren bestückt war, markierte das Schlusslicht. Es wurde 1964 auf den Markt gebracht und fand sich zuletzt im Katalog von 1965/66 wieder. In den zwei Folgejahren erhielt das Opus-Studio 2650 eine Mischung aus Röhren und Transistoren, und anschließend gab es nur noch transistorbestückte Modelle. Andere Unternehmen hatten vereinzelt noch bis 1968 Röhren in ihren Geräten. Braun beispielsweise bestückte den HiFi-Stereo-Verstärker CSV 60 mit zehn Röhren, und das Studio 1000 von Braun durfte sich zum Ausklang des letzten Röhren-Jahrzehnts an zwei Stück dieser Spezies erfreuen. Unter den Tischempfängern war der Philips Capella Reverbeo (12 RB 770) das letzte Modell, welches 1969 mit Röhren bestückt wurde.

 

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Das Jubilate 1651 von Telefunken war das letzte Radio-Modell aus der Saison 1966/67, welches noch durchweg mit Röhren bestückt wurde. Es hatte verchromte Knöpfe und Drucktasten.

Für die meisten Radiosammler, die sich überhaupt noch für spätere Nachkriegsgeräte interessieren, endet das Sammeln bei den Empfängern aus den Sechzigern - dem "Ende der Röhren-Ära".

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