8.12 Schrumpfende Gewinne – der Handel im Umbruch – die Japaner wollen mehr
Im März 1962 berichtete die "Funkschau" (Heft 5) über einen Rückgang in der Produktion von Fernseh- und Rundfunkempfängern im Jahr 1961 im Vergleich zum Vorjahr. Auch die Exporte mussten einen deutlichen Rückgang hinnehmen. Die gesamte Branche - mit Ausnahme von Grundig - beklagte den kontinuierlichen Preisverfall und musste die oft schon in die roten Zahlen fallenden Renditen durch Gewinne aus anderen Produktgruppen ausgleichen. Die Konkurrenten beschuldigten Max Grundigs Geschäftspolitik, für diese Preisentwicklungen verantwortlich zu sein.
Der Konzern war inzwischen zum Branchenriesen aufgestiegen und strebte seit Anfang der 1960er Jahre den Kauf renommierter Radiofabriken wie Mende und SABA an, die aufgrund von Ertragsminderungen und steigenden Produktionskosten keine Gewinne mehr erzielen konnten. Die Übernahmeversuche blieben jedoch ohne Erfolg. Die Schuld an der prekären Lage der Branche konnte jedoch nicht allein auf Grundig abgewälzt werden, da das Überangebot auch ohne Grundigs Zutun zu dahinschwindenden Endpreisen geführt hätte.
In einem Aufsatz in der "Funkschau" vom Januar 1963 schrieb Max Grundig über die Bemühungen der Industrie, auf der einen Seite den hohen Stand des Erreichten zu perfektionieren und preisgünstig wie möglich herzustellen, und auf der anderen Seite auf tiefgreifende Entwicklungstendenzen für die unmittelbare Zukunft zu setzen. Grundig hoffte wie andere auf den Stereo-Rundfunk, musste sich jedoch zunächst auf die preisgünstige Produktion beschränken, um seine Produkte auch in Kaufhäusern anbieten zu können. Die gedrückten Preise und die daraus resultierenden Umstrukturierungen im Handel bereiteten den alteingesessenen Fachhandelsfirmen Sorgen.
Um auch ihnen die Möglichkeit zu geben, günstigere Markengeräte in ihr Angebot aufzunehmen, wurde der Zentraleinkauf genutzt. Bereits 1935 wurde die Funkberater-Organisation gegründet, um eine begrenzte Anzahl anerkannter Meisterbetriebe mit Reparaturabteilungen als "Funkberater-Fachgeschäfte" zu kennzeichnen.
Aus: „Funkschau“, Heft 1/1963 unter dem Titel: Blick in die Wirtschaft – Strukturänderung im Hande
Auch nach der Neugründung im Jahr 1947 sah der Funkberaterring seine Aufgabe zunächst in der Werbung und Information. Nach und nach konzentrierte er sich jedoch insbesondere darauf, die Einkaufsbedingungen für seine Mitglieder zu verbessern. Im Heft 5/1949 schrieb "radio mentor" über die Funkberater-Einkauf eGmbH in Stuttgart, die am 1. November 1948 gegründet wurde. Diese hatte zum Ziel, Radiogeräte und verwandte Artikel zu kaufen und zu verkaufen sowie den Absatz dieser Artikel durch einheitliche Werbung und Kreditgewährung zu fördern.
Im Jahr 1953 wurde der "Union Ring" e.V. gegründet, der sich 1969 mit dem Funkberaterring zur "Interfunk" zusammenschloss. Eine weitere Fachhandels-Einkaufsgesellschaft war die 1974 gegründete "Ruefach", die von Peter Dieseldorff, dem Inhaber der Ulmer Südschall-GmbH, ins Leben gerufen wurde. Im Jahr 2001 wurden die "Ruefach" und die "Interfunk" mit je 50-prozentiger Beteiligung zur "Ruefach-Interfunk-Cooperation" (R.I.C.) mit Sitz in Ditzingen zusammengeführt. Darüber hinaus gab es den "EDR" - Einkaufsring Deutscher Radio-Händler - der jedoch kaum Bedeutung erlangte sowie die Aera- und Expert-Gruppe (Bild- und Ton-GmbH), in der sich einige große Handelshäuser zusammenschlossen.
Die Einkaufsvereinigungen wollten ihren Fachhändlern, die ab Mitte der 1950er Jahre zunehmend unter der Konkurrenz durch Versandhandel und Großmärkte litten, besonders preisgünstige Geräte zur Verfügung stellen. Sie entwickelten eigene Fachhandelsmarken als Pendant zu den Kaufhausmarken. Diese Modelle ließen sie auch bei mittelständischen Radiowerken produzieren, die unter Auftragsmangel litten, z.B. bei Emud, Kaiser, Südfunk oder Tonfunk, sowie bei unbekannten Firmen auf dem Markt. Diese Funkberater- und Union-Radios wurden oft unter erheblichem Preisdruck produziert und zählten nicht zu den besten Geräten auf dem Markt.
Es wird berichtet, dass der Empfänger in der Phono-Bar W59/3D genau dem Kaiser-6/10-Kreis-Super W 1645/3D entspricht, der im Radiokatalog 1959/60 mit dem Vermerk "Preis auf Anfrage" enthalten ist. Dies wurde durch das Archiv von Roelof de Jong Posthumus bestätigt.
Der Preiskampf zwischen den inländischen Herstellern war bereits schlimm genug, aber nach und nach drängten immer mehr fernöstliche Produkte auf den deutschen Markt, insbesondere über den aufblühenden Versandhandel. Sowohl die Einkaufsgenossenschaften als auch die Funkberater-Gesellschaften ergänzten ihr Angebot durch asiatische Fabrikate. Es war daher nicht überraschend, dass die Funkberater-Gesellschaft ab 1969 "Interfunk" hieß, um diesen neuen Marktanteil widerzuspiegeln. Dies stellte jedoch viele inländische Hersteller vor große Herausforderungen.
In der Anzeige aus der "Funkschau" (Heft 4/1963) wurde berichtet, dass japanische Hersteller auch Netzanschluss-Röhrengeräte für MW-, KW- und UKW-Empfang herstellten, die zu Preisen zwischen 50 und 80 Mark angeboten wurden.
Das Geschäft mit Taschen- und Kofferradios wurde später auch auf Heimgeräte und Fernsehapparate ausgeweitet. Akio Morita von Sony und Masaharu Matsushita (in Europa als National und in den USA als Panasonic bekannt) hatten sich zum Ziel gesetzt, den Weltmarkt zu erobern. Andere Unternehmen wie Pioneer wollten auch ein Stück vom Kuchen abhaben.
Nicht nur namhafte Markenfirmen sahen ihre ohnehin schon geringen Gewinne vollends dahinschwinden, sondern auch Fachhändler mussten erkennen, dass der Versand- und Warenhausvertrieb ihnen die Butter vom Brot nahm. Es war offensichtlich, dass die "Goldenen Fünfziger" endgültig vorbei waren, wie die Spatzen von den Dächern pfiffen.
Inserate aus den Funkschau- Heften Nr. 7 und 21/63