8.11 Ernüchterung in der ganzen Branche – Überproduktion – die Japaner kommen

In den 1960er Jahren hatten die deutschen Manager noch keine Kopfschmerzen aufgrund des Transistors, sondern aufgrund der Überproduktion von Fernsehgeräten. Die Produzenten hatten zu viel produziert und sich nicht mehr an die Regeln gehalten, wenn die Handelswege den Pfad der Tugend verließen. Es entstand ein grauer Markt, auf dem Preisbrecher dem Verbraucher Geräte zu sehr niedrigen Preisen anboten. Der Einzelhandel fürchtete eine Neuauflage der Verhältnisse von 1932, als die Preise durch eine ähnliche Überproduktion drastisch gesunken waren. Die Hersteller wurden für die Überproduktion verantwortlich gemacht und gerieten in große Bedrängnis.

Bereits Mitte der 1950er Jahre hatte die renommierte Firma Körting erkannt, dass sie auf eine Katastrophe zusteuerte und setzte alles auf eine Karte. Ein Liefervertrag mit dem Versandhaus Neckermann sicherte ihr langfristige Abnahme. Der Schachzug des Firmenchefs Gerhard Böhme schien erfolgreich zu sein und ließ sogar manchen Wettbewerber neidisch werden.

 

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Notiz aus: „radio und fernsehen“ vom Juli 1961

Auch andere Versand- und Kaufhäuser wollten nicht zurückstehen und konnten zahlreiche Lagerbestände von Rundfunkwerken aufkaufen. Dadurch geriet die Fachhandelstreue ins Wanken. Grundig belieferte große Kaufhaus-Ketten, legte jedoch strenge Maßstäbe bezüglich der Preisgestaltung und Serviceleistungen an. Mende, Schaub-Lorenz und insbesondere SABA wehrten sich vehement gegen den Verkauf ihrer Produkte in Kaufhäusern.

Die Hersteller waren sich uneins darüber, ob sie ihre Produkte über Versandhäuser und Kaufhäuser verkaufen sollten oder nicht. Während einige wie Grundig diesem Vertriebskanal offen gegenüberstanden, waren andere wie SABA sehr skeptisch und wehrten sich dagegen. Die damalige Situation verdeutlichte die Herausforderungen, die der Rundfunkindustrie in Bezug auf den Verkauf ihrer Produkte bevorstanden.

 

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Im Jahr 1953 wurde das erste Radiogerät von Neckermann hergestellt, allerdings noch im Apparatewerk Dachau. In der Folge kamen weitere hochwertige Geräte von Körting aus Grassau.

Die enormen Zuwachsraten der Rundfunkindustrie konnten nicht aufrechterhalten werden, was für viele Vorstände der Rundfunkwerke schwer zu akzeptieren war. Sie setzten ihre Hoffnung auf den Stereo-Rundfunk und das zweite Fernsehprogramm, aber die Gewinne blieben aus. Es gab Gerüchte über die Einführung von Farbfernsehen, aber die Käufer zögerten und griffen stattdessen auf UHF-Converter zurück. Graetz in Altena geriet Anfang der 60er Jahre als erstes bedeutendes Unternehmen in eine Krise und konnte nur durch Hermann Abtmeyers Glauben an den Ausbau des ITT-Imperiums überleben.

 

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Notiz aus: „radio-fernseh-händler“, Februar 196

 

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Eine Notiz aus der Ausgabe 8/1961 der "Funkschau" berichtet, dass die finanzielle Unterstützung für Graetz im April begann. Im Mai desselben Jahres wurde Dr. Herriger aus dem Vorstand von SEL in die Geschäftsleitung der Graetz-KG berufen und im September 1961 entstand die neue Holding-Gesellschaft Graetz GmbH mit der Geschäftsleitung von SEL.

Neben den vollen Lagern, die nur langsam abgebaut werden konnten, drohte der Rundfunkindustrie weiteres Ungemach. Anfangs wurden Inserate wie das rechts abgebildete noch nicht ernst genommen. Doch die Japaner begannen, ihre Position auf dem Weltmarkt kontinuierlich auszubauen und beschränkten sich in den Folgejahren nicht mehr auf kleine, billige Transistorgeräte.

 

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Inserat aus der „Funkschau“, Heft 11/1958. Noch waren es kleine Importeure, welche japanische Importwaren anboten

 

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