8.9 Radios bestehen nicht nur aus Technik: Design in der Nachkriegszeit
Neben der Technik interessiert den Sammler auch die Gehäusegestaltung von Radios, die das Erscheinungsbild und den Zeitgeist widerspiegelt. Im Kapitel 2, Abschnitt 9 wurde die Gehäuse-Architektur aus dem Zeitraum von 1930 bis 1935 behandelt, bei der sich die Gerätegestaltungen vom Hoch- zum Querformat entwickelten. Nach dem Krieg kümmerte man sich zunächst wenig um die Gestaltung und prüfte nur das erforderliche Volumen im Vergleich zu den verfügbaren Holzvorräten. Es vergingen Jahre, bis das Niveau der Vorkriegsmodelle annähernd wieder erreicht wurde. Erst 1948, nach der "Währungsreform", mussten sich die Rundfunkwerke nach den Wünschen der Käufer richten, was zu einem neuen Wettbewerb führte.
In 1945/46, the cases for the first Lorenz "emergency radios" and speakers (on the left) were made from leftover boards of different thicknesses. In 1947/48, the model S 48 (on the right), which was still made from leftover Wehrmacht components, was already on the market in a professionally made plywood case. (Collection of Dr. E. Windisch)
Im Jahr 1947 wurde das EAK-Einkreisradio 3/47 W in Köppelsdorf hergestellt und stammt aus dem Vermächtnis von AEG, was durch die Telefunken-Drehknöpfe bestätigt wird. Das kompakte Radio ist nur 34 x 20 x 23 cm groß und hat ein einfaches Gehäuse, das jedoch durch den Bakelit-Rahmen aufgewertet wurde.
In den späten 1940er Jahren experimentierten einige kleine Unternehmen auch mit ungewöhnlichen Designs. Neben Radios in Bar- und Bücherschränken gab es auch Radio-Schachtische und die "Kaminfeuer-Musiktruhe", die in der Zeitschrift "Funk-Technik" im Heft 1/1950 vorgestellt wurde (siehe: Thesing, Kap. 9). Es gab auch Lampenradios (Kap. 9: Bi-Funk, Tonolux, Uba) und Radios in runden oder tonnenförmigen Behältern (Kap. 9: Gollnow, LTP). Ein besonders einfallsreicher "Hersteller" (siehe Höfig im Anhang B I) stellte sogar auf der Leipziger Messe 1950 ein "Radio im Miniatur-Konzertflügel" vor.
Trotz aufwendiger Werbemaßnahmen brachte das Rondo-Urnenradio, das mit dem Innenleben von LTP kreiert wurde, letztendlich nur rote Zahlen und trieb den Herrn Bürkle in den Konkurs. Ein Redakteur der "Funk-Technik" schrieb in der Ausgabe 19/1949 unter dem Titel "Radio auf neuen Wegen?" über solche Kreationen: "Der Markt hat bisher immer Nein gesagt! Radios in ungewöhnlichen Gehäusen sind immer eine Frage an den Markt. Bisher hat der Markt stets mehr oder weniger vernehmlich nein gesagt, woraufhin die neuartigen und auffälligen Radiogeräte in allen Fällen genauso schnell gegangen sind, wie sie gekommen sind. Als Fabrikant muss man viel Mut aufbringen, dieses Experiment zu wiederholen, das schon so oft fehlgeschlagen ist, und man muss wirklich etwas Gutes bringen, etwas, das einleuchtet und erkennen lässt, dass so etwas schon immer gefehlt hat..."
Die großen Unternehmen, die in großen Serien produzierten, brachten diesen "Mut" verständlicherweise nicht auf und beschränkten sich auf herkömmliche Designs. Allerdings blieb von den abwechslungsreichen Stilrichtungen aus den 1930er Jahren nicht viel übrig. Die Links-Rechts-Aufteilung von Lautsprecherausschnitt und Skala sowie andere individuelle (Skalen-)Gestaltungen wurden Anfang der 1950er zugunsten längerer Skalen aufgegeben, die dann - mit wenigen Ausnahmen - an der unteren Frontseite platziert wurden.
Frontgestaltungen wie beim Wobbe Syndikus waren noch bei einigen Radios der Baujahre 1949 bis 1951 zu finden, beispielsweise bei Mende oder Blaupunkt. Opta-Spezial gestaltete ihre Radios sogar noch im Jahr 1952 auf diese Weise.
Als Vorläufer des kommenden Einheitsstils hatte Telefunken im Jahr 1949 den ersten Opus entworfen. Dieser bestand aus zwei nussbraun furnierten Seitenteilen und einem durchgehenden Sperrholzteil, das vom Boden bis zur Oberfläche reichte. Die Tastenreihen befanden sich bei diesen Modellen noch nicht unterhalb der Skala, sondern wurden erst bei späteren Modellen hinzugefügt.
Der Telefunken Opus 49 diente als Vorbild für zukünftige Gehäusegestaltungen. Später wurden die Bedienungsknöpfe in die Skala integriert.
Der Opus von Telefunken entspricht dem linken Gestaltungstypus in der Abbildung. Beim zweiten Modell verlief das dreiseitige Sperrholzteil von der linken Seite über die Front zur rechten Seite mit den sich daraus ergebenden Abrundungen an den Vertikalkanten (mittlerer Typ). Es gab wenige Gehäuse, die aus einem vierseitig umlaufenden Sperrholzteil (Oberfläche, Seitenteile und Boden) bestanden; die eingesetzte Vorderfront hatte abgerundete Ecken (rechter Typ).
Als die elfenbeinfarbenen Bereichstasten aus Styrol-Copolymerisaten im Jahr 1952 in Mode kamen, wurde das Einheitsgesicht perfektioniert. Oben befand sich der Lautsprecher oder die Lautsprecher, darunter die Skala und davor eine Reihe von Klaviertasten - alle sahen gleich aus. Dies ist einer der Gründe, warum diese 50er-Jahre-Modelle, die abwertend als "Gebiss-Radios" bezeichnet werden und von denen noch immer zu viele auf Flohmärkten, in Sammlungen und auch auf dem Sperrmüll (im Regen) zu finden sind, in Sammlerkreisen nicht besonders geschätzt werden. Nur wenn sie technische Raffinessen bieten, erwacht das Interesse der Sammler. Es stellt sich die Frage, ob der Stil der 50er-Jahre-Möbel die Ursache für dieses Einheitsdesign war. Dies war jedoch keineswegs der Fall. Nur vereinzelt findet man Radios, die mit den zeittypischen Elementen der Formgestaltung gebaut oder ausgestattet wurden, wie beispielsweise mit den schräg gestellten Füßchen, die an Sesseln und Tischen der 50er Jahre üblich waren. Der Schaub Goldsuper oder das Tonfunk-Modell Violetta W 332 in der "Lyra-Form" sind hier als Einzelbeispiele zu nennen. Bei Musikschränken bemühte man sich eher um Anpassung, aber nur der Loewe-Musiktisch Palette von 1955/56 entsprach direkt dem damaligen Möbelstil.
Ein Prospekt für den Schaub-Lorenz Goldsuper W 42 beschrieb ihn als "repräsentatives großes Edelholzgehäuse in schwingender Linie". Im Jahr 1956/57 hatte das Unternehmen mehrere dieser "Goldsuper im Nähkästchen-Stil" in ihrem Lieferprogramm.
Die Gestalter bei Grundig mussten auch lernen, dass das Publikum nicht immer offen für radikale Designänderungen war. Karl Tetzner schrieb in der Ausgabe 11/1954 der "Funkschau" über die von Grundig in Hannover ausgestellten Exponate unter dem Titel "Experimente mit dem Gehäuse": "Grundig hatte inmitten einer modernen Dekoration einen neuen Musikschrank ausgestellt, der sich von den bisherigen deutschen Möbeln dieser Art wesentlich unterschied. Das helle Eschenholz in streng geometrischer Form enthielt einen Spitzen-Super und wahlweise unter der Haube einen Plattenspieler, Wechsler oder Tonbandgerät entsprechend dem Auswechselprinzip. Die Besucher standen je nach ihrer Einstellung begeistert oder kopfschüttelnd davor. Auf alle Fälle dürfte der beabsichtigte Zweck erreicht worden sein: Man wollte einem breiten Publikum den Vertreter eines radikalen Stilwechsels zur Begutachtung vorstellen."
Der Grundig-Musikschrank 7080 W stammt aus dem Jahr 1955.
In den 1950er Jahren schien die Zeit für radikale Designänderungen noch nicht reif zu sein, und nur Braun konnte mit solchen Kreationen erfolgreich sein. Erst in den 1960er Jahren, als geöltes Teakholz in Mode kam, wurden auch viele Gehäuse entsprechend gestaltet, um sich in das Teak-Mobiliar einzufügen. Es ist jedoch verständlich, dass man heute glaubt, dass es damals keine Designer gab, da die phantasielosen Edelholzgehäuse dieses Jahrzehnts wenig beeindruckend waren und dem Geschmack der Konsumenten angepasst wurden. Leider schadet diese "50er-Langeweile" auch dem Image der technisch hochwertigen Empfangsgeräte. In den 1960er Jahren wurden die Formen schlichter.
Bis zum Ende der 1950er Jahre behauptete sich der Einheitsstil. Obwohl die abgerundeten Gehäuse aus der Mode kamen und etwas schlichter gestaltet wurden, findet man an diesem Telefunken Opus 9 Hi-Fi von 1958 immer noch eine (unpassende) Gold-Zierleiste samt den Abrundungen. Erst im folgenden Jahrzehnt wurde der Einheitsstil der 50er Jahre passé.
Zu Beginn der 1950er Jahre wurden einige Bakelitgehäuse noch etwas phantasievoller geformt, wie zum Beispiel für die Blaupunkt-Modelle F 229 U oder M 289 W. Blaupunkt setzte den Inhalt dieser Modelle auch noch in wohlgestaltete Holzgehäuse.
Im Jahr 1950/51 hatte Blaupunkt ihre nach Vorkriegs-Vorbildern gestalteten Modelle im Lieferprogramm, darunter auch diese Typen F 229 U und F 266 U.
Bereits sein Vorgänger, der T 4347 GW von 1947, war in ähnlicher Gestaltung wie der kleine Telefunken Tango 5449 GWK entworfen worden. Auch 1949 galt er noch als schick.
In der Mitte der 1950er Jahre erschien die Alternative zum Einheitsgewand. Dr. Fritz Eichler, der bei Braun für die kreative Gestaltung zuständig war, konnte das braune Einheitsantlitz der Radios mit Goldzierleisten im Jahr 1954 nicht mehr ertragen. Zusammen mit Artur Braun schuf er den aufsehenerregenden Kleinsuper SK 1 und begann nach neuen Wegen zu suchen.
Die Braun-Kleinsuperhets wurden von 1955 bis 1961 in sieben annähernd gleichen Ausführungen gebaut, zuletzt als SK 25. Der Unterschied lag in der technischen Ausstattung: Der SK 1 empfing nur Ultrakurzwellen, während die 2er-Typen auch UKW und Mittelwellen empfangen konnten.
Dr. Eichler führte den Kleinsuper SK 1 nach Ulm zur Hochschule für Gestaltung, wo er auf Otl Aicher, Max Bill und Hans Gugelot traf. Gugelot erhielt den Gestaltungsauftrag für die Musiktruhe PK-G, die schließlich 1955 auf den Markt kam und als erste zukunftsweisende Kreation im Rampenlicht stand.
1955 brachte Braun das Gerät "combi" als Neuschöpfung auf den Markt. Die Detailgestaltung, insbesondere die Anordnung der Drehknöpfe, wurde vom Telefunken Tango abgeschaut. Allerdings handelte es sich um einen Entwurf von Prof. W. Wagenfeld, was bei Design-Fans auf eine höhere Wertschätzung stieß als beim Tango, der fünf Jahre zuvor auf den Markt gekommen war.
Ja, Dieter Rams gilt als einer der einflussreichsten Designer des 20. Jahrhunderts und prägte das Design von Braun maßgeblich. Seine Entwürfe zeichneten sich durch eine klare, minimalistische Formsprache aus und waren funktional und ästhetisch zugleich. Rams' Designphilosophie beeinflusste nicht nur die Gestaltung von Produkten, sondern auch die des Unternehmens und dessen Marketingstrategien. Bis heute hat sein Design einen großen Einfluss auf die Gestaltung von Produkten und hat viele Nachahmer gefunden.
Es ist tatsächlich erstaunlich, wie lange der Braun SK 4 bzw. SK 5 in nahezu unveränderter Form im Braun-Lieferprogramm blieb. Dies zeugt von der hohen gestalterischen Qualität des Geräts, das zu einem zeitlosen Design-Klassiker wurde. Der Braun SK 4 wurde zum Beispiel auch im MoMA in New York ausgestellt. Es war nicht nur ein Radio, sondern ein Statement für ein neues Lebensgefühl und eine moderne Ästhetik.
Obwohl die Braun-Designs international anerkannt wurden und bei Architekten und Designern sehr beliebt waren, war der Geräteabsatz nicht unbedingt ein Garant für wirtschaftlichen Erfolg. Die innovativen und technisch anspruchsvollen Produkte hatten oft höhere Produktionskosten und mussten zu höheren Preisen verkauft werden, was nicht immer auf eine entsprechende Nachfrage traf. Außerdem führte die Konzentration auf das Design dazu, dass Braun den technischen Fortschritt manchmal vernachlässigte und erst später auf den Zug der Stereo-Schallplatte oder des HiFi-Booms aufsprang. Dies alles führte dazu, dass Braun in den 1980er Jahren hohe Verluste einfuhr und schließlich 1989 von der amerikanischen Firma Gillette übernommen wurde.
Braun hat sich durch die konsequente Festlegung auf ihre Design-Linie einen Platz in einer Nische des Marktes gesichert, der ihrer Produktionskapazität entsprach. Ohne diesen Schritt hätten sie wahrscheinlich schon früher aufgeben müssen und die Radioproduktion einstellen müssen. Durch die Fokussierung auf das Design konnten sie jedoch bis 1990 weiterhin Braun-Anlagen verkaufen, während andere renommierte Firmen wie Körting, Mende, SABA und Telefunken ihre Produktion bereits eingestellt hatten. Obwohl Braun große Verluste hinnehmen musste, hatte das Unternehmen in den 1950er und 1960er Jahren kaum Konkurrenz und konnte sich aufgrund des Braun-Designs sogar billige Komponenten leisten. In den 1960er Jahren trat Wega als Konkurrent auf den Plan und brachte stilvolle Modelle auf den Markt, blieb aber immer auf dem zweiten Platz hinter Braun.
Nachdem Wega wie zuvor konsequent auf ihre Design-Linie festgelegt hatte, wurde im Jahr 1967 unter anderem die Kompakt-Anlage von Hartmut Esslinger gestaltet und veröffentlicht. Diese Anlage bestand aus einem HiFi-Tuner, einem Verstärker und einem Studio-Plattenspieler (Dual 1015 HiFi). Die Wega 3200 HiFi war auch in verschiedenen Holzarten wie Nussbaum, Teak oder Palisander erhältlich, aber die schlichte Weiß-Schleiflack-Ausführung war zweifellos am schönsten.
Im Jahr 1969 brachte Sony ein außergewöhnlich gestaltetes Modell auf den deutschen Markt. Telefunken fand daran offenbar Gefallen und kreierte für das Modelljahr 1970/71 einen gleichartigen Empfänger mit hochwertiger Ausstattung. Das Steuergerät HiFi-Compact 2000, das mit einer Rundskala ausgestattet ist, ist bei Sammlern aufgrund seines Designs besonders beliebt. Trotz der geringen Größe der Lautsprecher-Boxen TL 41 mit den Maßen 16,2 x 26,1 x 17 cm erstaunt die brillante Wiedergabequalität.
Im Jahr 1971 wurde von der hauseigenen Loewe-Design-Abteilung die "line 2001" entworfen. Verschiedene Receiver wurden im Stil dieser "line" gestaltet, darunter auch das Modell Juwel sensotronic, welches auf der rechten Seite abgebildet ist und im Jahr 1974 veröffentlicht wurde.
Der Blick über die Grenzen richtet sich auf die dänische Firma Bang & Olufsen, welche derzeit von den "Design-Bewussten" angezogen wird.