8.8 Kurz, Mittel, Lang – nur auf den AM- Bereichen hörte man die Welt

Die "Welle der Freude" allein kann nicht erklären, warum die westdeutsche Radioindustrie in den 1950er Jahren so erfolgreich war. Insbesondere ausländische Käufer waren von den hervorragenden Empfangsleistungen in den AM-Bereichen überzeugt. Es gab auch viele Hörer in Deutschland, die sich nicht nur mit lokalen Sendungen zufrieden gaben, wie zum Beispiel die "DXer" und "shortwave listener". Aus diesem Grund wurde über den Ausbau der Empfangsbereiche nachgedacht. Telefunken hatte mit dem T 5000-Modell von 1950 bereits ein Meisterwerk auf den Markt gebracht, das nicht nur einen integrierten UKW-Bereich hatte, sondern auch auf allen Wellenlängen (einschließlich gespreizter Kurzwellenbereiche) mit seinen AM-Empfangsleistungen glänzen konnte. Die Konkurrenten folgten dem damaligen Marktführer dicht auf den Fersen und schafften es in den Folgejahren sogar, die Telefunken-Modelle von 1951 zu übertreffen, die noch mit Stahlröhren ausgestattet waren.

 

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Der Siemens Spitzensuper 51 (SH 906 W) wog 23 kg und hatte keine HF-Vorstufe mehr. Trotzdem galt er in der Saison 1950/51 aufgrund seiner sieben Rimlockröhren, EM 4, EL 12 in der Endstufe und AZ 12 für die Gleichrichtung als einer der größten. Besonders bemerkenswert war sein Spulenrevolver für die Wellenbereiche Lang, Mittel und 3x Kurz, was ihn zu einem begehrten Sammlerstück macht. Allerdings war er mit einem Preis von 650 D-Mark im Jahr 1950 sehr teuer und entsprach mehr als zwei Monatsgehältern, weshalb nur wenige Menschen sich einen solchen Luxus leisten konnten. Weitere Informationen finden sich im Kapitel 9 von Siemens.

Neben der Absicht, Rundfunkteilnehmern den Einsatz einer Außenantenne für den Empfang von Mittel- und Langwellensendern zu ersparen, wurde in bessere Heimgeräte auch eine drehbare Ferrit-Antenne eingebaut.

 

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Das Chassis des Telefunken Concertino aus dem Jahr 1953 verfügte über eine drehbare Ferritantenne.

 

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Das folgende Inserat stammt aus der Ausgabe 7/1952 des "radio mentor". Bei Dralowid wurde der Ferritstab unter dem Namen "Keraperm" vertrieben. Bereits 1947 erfand Philips den Werkstoff "Ferrocube".

Die Richtantenne war die Nachfolgerin der früheren Rahmenantenne und hatte eine ähnliche Richtwirkung. Es war möglich, mit ihr unter bestimmten Umständen zwei Sender zu trennen, die auf etwa derselben Wellenlänge aus verschiedenen Richtungen (idealerweise in einem Winkel von etwa 90 Grad) empfangen wurden. Dies war eine Möglichkeit, um auf dem stark überfüllten Mittelwellenband gegenseitige Störungen zu minimieren. Es wurden auch zahlreiche Resonanzkreise eingesetzt, und viele Radios der Fünfzigerjahre hatten acht ZF-Kreise. Vor dem Krieg waren nur Spitzensuper mit so vielen Kreisen ausgestattet. Allerdings hatte die neue Generation von Radios nicht nur acht, sondern bereits sechs Kreise, da drei ZF-Filter eingebaut wurden. Ein Beispiel dafür war der Nord-Mende Typ 500-10 aus dem Jahr 1952, der drei regelbare und sieben fest abgestimmte Kreise hatte. Zehn-Kreiser waren zu dieser Zeit keine Seltenheit, wurden aber oft mit nur einem Eingangskreis, dem Oszillator und acht ZF-Kreisen aufgebaut. Daher sind die Vorstufensuper bei Großgeräten aus dieser Zeit besonders interessant für Sammler, wie zum Beispiel der Schaub-Transatlantic von 1954, der außerdem noch durch drei KW-Bereiche aufgewertet wurde.

 

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In der Mitte der Fünfzigerjahre gab es unter den Spitzengeräten nur noch wenige Superhets mit HF-Vorstufen. Eines der wenigen war der Transatlantic 55 von Schaub. Dieser Neun-/Elf-Kreis-Vorstufensuper aus dem Jahr 1954/55 hatte elf Röhren und zwei "Kristalldioden". Ein zusätzlicher Zwei-Gang-Drehkondensator (hinten) diente der Einstellung des Ortssenders auf die dafür vorgesehene Festsendertaste.

Es ist erstaunlich, dass die Techniker selbst mit einem Zehn-Kreis-Superheter noch nicht zufrieden waren. Im Jahr 1953 und 1954 erhielten die Grundig-Großsuper 5050 und 5040 elf AM-Kreise, der Loewe Hellas 552 ebenfalls. SABA präsentierte in den gleichen Jahren neue Freiburg-Modelle mit insgesamt zwölf AM-Kreisen, von denen neun (mit der regelbaren MHG-Schaltung - dem Differentialfilter) in der ZF waren.

 

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Aus dem „Fachkatalog des Rundfunk-, Phono-, Fernseh-Handels“ 1954/55. Im „Handbuch...“ kostete der 3 DS 739.- D

1954 wurde die hohe Kreiszahl des SABA Automatic 3 DS nicht so sehr beachtet wie eine andere Besonderheit, die dieses Spitzenmodell auszeichnete: Nur SABA hatte einen automatischen Sender-Suchlauf. Dies war das Ergebnis einer Weiterentwicklung des Konzepts von 1937, das damals noch nicht ausgereift war. Jetzt funktionierte es und sollte noch viele Jahre eine SABA-Domäne bleiben. Der SABA Automatic 3 DS war mit zwölf Röhren und sechs Lautsprechern ausgestattet und kostete mit seiner Kabel-Fernbedienung fast 800 DM, etwa doppelt so viel wie ein normaler Achtkreis-Superhet.

Mit diesem Gerät hatte der technische Aufwand für die Selektion des AM-Empfangs seinen Höhepunkt erreicht. Der SABA Freiburg 6-3 D von 1955/56 wurde wieder auf zehn Kreise reduziert, und der Freiburg 8 von 1957/58 musste sich sogar mit nur acht AM-Kreisen begnügen. UKW wurde nun zum bevorzugten Empfangsbereich.

Deshalb wurde dem AM-Teil des Körting Royal-Syntektors von 1954/55 nicht die Beachtung geschenkt, die dieser hervorragende Empfänger verdient hätte. Mit elf (oder zwölf) Kreisen, einer HF-Vorstufe, additiver Triodenmischung und weiteren schaltungstechnischen Raffinessen ausgestattet, war er ein ausgezeichnetes Gerät.

 

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Aus: „Funkschau“, Heft 14/1954

 

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Es gab nicht nur Spitzenmodelle, die von Sammlern bevorzugt werden, sondern auch Standard-Sechskreis-Superhets und sogar Geradeaus-Empfänger. Im Jahr 1949 hatte ein Kommentator in der Zeitschrift "Funkschau" im Heft Nr. 14 prognostiziert, dass die von der deutschen Industrie gepflegte Zweikreiserklasse im neuen Baujahr nicht mehr erscheinen würde. Einkreisempfänger würden nur von wenigen Fabriken für Interessenten hergestellt, die sich keinen teureren Kleinsuper leisten könnten. Der Kommentator hatte den Geradeausempfänger jedoch zu früh für tot erklärt.

Ein Jahr später, im September 1950, veröffentlichte dieselbe Fachzeitschrift eine dreiseitige Abhandlung über "Neuzeitliche Geradeausempfänger", in der die neuesten Einkreiser der Firmen Apparatebau Backnang, Blaupunkt, Grundig, Jotha, Lorenz, Loewe-Opta, Lumophon, Emud, Schaub und Schmidt-Corten vorgestellt wurden, einige davon sogar mit einem UKW-Empfangsteil.

 

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Das Nora-Einkreisgerät Aida, ein Nachfolger des Junior, sollte auch erwähnt werden. Im "Radio-Händler" vom November 1949 wurde berichtet, dass die Firma Nora mit ihrem Einkreisgerät einen überraschend großen Markterfolg im ganzen Reich erzielt hatte, da es die Eigenschaften der VEL 11 so optimal ausnutzte wie bisher bei keinem industriellen Gerät möglich gewesen war. Der "Radio-Händler" verschwieg jedoch, dass es mit anderer Röhrenbestückung bessere Einkreiser als den Nora gab. Doch wenn man es genau nimmt, gab es mit der Telefunken-Spar-Röhre von 1949/50 sicherlich keinen besseren Einkreisgerät als den Junior GW 152.

 

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Im Jahr 1950 fand man die VEL 11 nur noch im Blaupunkt-Einkreiser E 79 U und im Thesing-Ara, der 1951 von Grundig als Gloria angeboten wurde. Doch der Einkreiser erwies sich als zäher Bursche, der nicht so schnell das Feld räumen wollte. Auch in den Folgejahren blieb er in den Katalogen vertreten und im Grundig-Lieferprogramm von 1953 konnte man noch den Zweikreiser 840 W finden. Sogar ein Nachfolger des DKE war 1953 auf dem Markt: der Edly-Kleinempfänger, der mit der nur noch für den Ersatzbedarf gefertigten VEL 11 ausgestattet war.

 

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Fritz Rohde gab den Kleinempfänger noch nicht auf. Selbst in der "Funkschau" Ausgabe 13/1953 bot er den Edly-Kleinempfänger an, der auch mit Miniaturröhren ausgestattet wurde, um beispielsweise eine Batteriebetrieb zu ermöglichen.

 

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