7.12 Der Detektor hat einen Nachruf verdient – und auch das „Notzeit-Radio“

Bevor wir zum Thema "UKW" in der Radiogeschichte kommen, ist ein "Nachruf" fällig. Mit dem Beginn des neuen "DM-Zeitalters" wurde ein nicht unbedeutender Empfängertyp vollends aufs Abstellgleis befördert: der Detektorapparat. 25 Jahre hatte er seine mehr oder weniger guten Dienste getan und wird beim Radiohistoriker und Sammler unvergessen bleiben.

 

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Diese Bilder zeigen Detektorgeräte aus den Zwanzigern. Links sehen wir eine runde Ausführung eines Kapsch-Detektorapparates mit dem Friho-Detektor. In der Mitte ist das Hansa-Modell mit aufgesteckter Verlängerungsspule zu sehen und rechts der Detektorapparat der Firma Igeha, der mit eingebauter Mittelwellenspule und zwei Aufsteckdetektoren ausgestattet ist.

 

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Der Blaupunkt-Aufsteck-Detektor war damals wie heute beliebt und zählte mit seinem Preis von 7,50 Mark zu den teuersten.

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Der Detektorapparat war in beiden Anfangszeiten beliebt und weit verbreitet: in den Jahren 1923/24, als das "Radiofieber" grassierte, wie auch in den finsteren Jahren 1944-47, als Deutschland in Trümmern lag. Und es waren nicht nur mittellose Bastler, die im Zweiten Weltkrieg und danach am Kopfhörer ihres Detektorapparates hörten. In der Kriegszeit konnte man entsprechende Einzelteile dafür und auch komplette (meist primitive) Geräte noch kaufen, u.a. den Detektor Erika mit Klein Rolli als Antenne. Diese Kombination wurde schon dem Landser an der Front als Empfangsgerät empfohlen (siehe Kapitel 6.3).

 

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Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs wurden die Rohstoffe immer knapper, so dass sich schließlich die einfachsten Detektorapparate mit Pappgehäusen begnügen mussten. Bei dem "Namenlosen" im Bild liegt ein Wehrmacht-Kopfhörer Dfh.a. bmm (44).

Nach dem Krieg war der Detektorapparat wieder so begehrt wie in den frühen Zwanzigern, da er ohne Strom funktionierte. Allerdings war er nicht leicht zu bekommen. Obwohl es zahlreiche Groß- und Kleinfirmen gab, die ihn fertigten, fehlte es oft am nötigsten Material, und für den Kauf benötigte man oft den "Bezugschein".

 

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Das Inserat, das sich an Bewohner der Ostzone richtete und auf "Stromsperren" hinwies, erschien noch im Oktober 1949, vier Jahre nach Kriegsende.

Im Jahr 1945 gab es eine Reihe von bekannten Herstellern von Radiogeräten aus der Vorkriegszeit, darunter Blaupunkt, Hegra, Lüdke, MKB (eMKa, Cosmos), Nora (Heliowatt), Roka, Dr. Seibt Nachfolger, Siemens & Halske, TeKaDe-Werke, Telefunken, WISI und Max Wurl aus Berlin. In den Nachkriegsjahren kamen auch einige neue Fabrikate hinzu, wie Caesar, EAB, Heschü, Omega, Schieren, R. Sittner (Nachf. E. Welker) und Tefi.

In der Detektor-Ära nach dem Zweiten Weltkrieg gab es neben den bekannten Vorkriegsmarken wie Blaupunkt, Hegra, Lüdke, Telefunken und Siemens & Halske auch einige neue Fabrikate, darunter Caesar, EAB, Heschü, Omega, Schieren und Tefi. Es gab auch einige unbekannte Detektorgeräte und Erzeugnisse, die durch Handelshäuser wie Radio-Fern und WERCO vertrieben wurden. Siemens baute sogar einen speziellen Kurzwellendetektor und Dr. Hugo Graf KG nahm die Produktion von Rotor-Detektoren wieder auf. Mit dem Aufkommen von Röhrengeräten und der Währungsreform wurde die Verwendung von Detektorgeräten immer seltener, bis sie schließlich um die Jahrhundertmitte aus dem Markt verschwanden. Einige Hersteller wie WISI und Hugo Müller produzierten jedoch weiterhin Detektorgeräte, und Helmut Schülmann übernahm die Firma Max Wurl und fertigte weiterhin Detektorgeräte unter verschiedenen Markennamen.

 

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Das Modell Omega 8 M, welches in Form eines Kofferradios sehr beliebt war, stammte Ende der 1950er Jahre aus der Produktion von Hugo Müller in Schwenningen.

 

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In New York wurden die letzten Heschü-Detektorapparate mit dem Einohr-Kopfhörer verkauft. Einige dieser Geräte wurden später als Re-Importe in deutsche Sammlerhände gebracht.

 

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Bis zum Ende der sechziger Jahre waren die Detektoren und Diodengeräte von Schülmann noch in Verwendung. Allerdings hatten sie ihre Funktion als praktische Empfänger verloren und wurden stattdessen als Spielzeug betrachtet. Es gab sogar einen Export dieser Geräte in die USA. Später wurden in Amerika dann preiswerte Radios aus Japan populär, aber Deutschland war anscheinend der Pionier in dieser Entwicklung.

Zwanzig Jahre waren vergangen, als in den 1920er Jahren der Markt von zahlreichen Detektorapparaten übersättigt wurde. In der Notzeit nach dem Krieg erlangten die "Röhrenlosen" jedoch wieder an Bedeutung und auch primitive Bauformen wurden wieder populär. Später wurden diese Kopfhörer-Geräte mit Germaniumdioden ausgestattet und landeten schließlich auf Dachböden oder in Lagerräumen.

 

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Das abgebildete Foto zeigt einen Detektorapparat mit Diodengleichrichtung, der in Deutschland hergestellt wurde. Das Handelshaus Völkner-Electronic bot dieses Modell namens "minimark IV" noch bis Ende der siebziger Jahre an. Das Bild stammt aus der Sammlung von R. Fritzen.

 

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In einem Inserat in der "Funkschau" von Februar 1950 suchte ein Händler nach Detektorapparaten und bot gleichzeitig auch schon UKW-Vorsatzgeräte an. Hier treffen also zwei Welten aufeinander.

Nachdem die meisten Detektorapparate weggeschmissen wurden, erlangten sie später als Sammlerstücke wieder an Bedeutung. Sowohl die älteren als auch die Nachkriegs-Detektorempfänger sind mittlerweile selten zu finden. Die Detektor-Spezialisten unter den Sammlern haben bereits vieles über die Hersteller und die Gestaltung dieser Geräte aufgeschrieben. Es gibt jedoch immer noch eine Vielzahl von Fabrikanten und Modellen, die nicht vollständig erfasst werden konnten.

Interessierte Laien fragen gelegentlich, ob man mit einem alten Detektorapparat noch Radio hören kann. Die Antwort lautet ja. Es gibt zwar keinen UKW-FM-tauglichen Detektorapparat, aber in Deutschland gibt es immer noch Lang- und Mittelwellensender, die mit einem Kristallgleichrichter-Gerät empfangen werden können. In Österreich wurde diese Möglichkeit bereits vor Jahren abgeschafft, aber im Mai 1997 wurde der Mittelwellensender "Bisamberg" wieder in Betrieb genommen. Die Sendeleistung und -zeit sind jedoch eingeschränkt und man kann ihn nur ab 18:00 Uhr auf 1476 kHz empfangen. Es ist wichtig zu erwähnen, dass die Ära des Detektorapparates zwar vorbei ist, die des Kopfhörerempfangs jedoch nicht. Das Transistorgerät ersetzte schließlich den Detektorapparat und führte zu immer kleineren Bauformen. Man konnte nun ein IC-bestücktes Empfangsteil in einem Kugelschreiber oder einer Armbanduhr unterbringen. Diese Geräte waren jedoch nicht mehr in Deutschland hergestellt worden, sondern Fernost-Produzenten hatten mittlerweile auch diesen Markt erobert.

 

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Die Firma Mikes-Electronic GmbH hat das Radiodigit entwickelt, ein Mittelwellen-Radio, das in einer Quarzuhr integriert ist. Allerdings wurde der Produktionsstandort nicht bekanntgegeben.

Auch das "Notzeit-Radio" verdient einen Nachruf, sowie die vielen Kleinunternehmer, die in den schwierigen Nachkriegsjahren versuchten, Radios herzustellen, auch wenn viele von ihnen erfolglos waren. Diese Männer bauten oft primitive Geräte aus Überbleibseln einstiger Wehrmachtgeräte zusammen und bestückten sie mit Röhren aus deutschen Lagerstätten oder auch mit überzähligen amerikanischen Stahlröhren. Viele wickelten auch Spulen, um den Kleinwerkstätten und Bastlern die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Radios zu bauen. Einige hatten sogar die Illusion, dereinst ein solides Radiowerk aufbauen zu können, wie zum Beispiel die Herren Jungmann, von Willisen (Wilag), Rieble (Riweco), Oligmüller (mit Otto Limann) oder Lennartz (LTP) - um nur einige zu nennen, für die es noch keinen 8-Stunden-Tag gab. Doch in dieser Zeit waren sie nicht auf dem falschen Weg.

Ohne das Improvisationstalent und den unermüdlichen Einsatz dieser Männer wäre das Leben in den drei entbehrungsreichen Nachkriegsjahren noch trostloser gewesen. Die Markenfirmen waren völlig außerstande, den dringendsten Bedarf an Radios zu decken.

 

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Otto Limann entwickelte das Bandfilter für den Nachkriegs-Zweikreiser und schuf den Prototyp des "OL"-Dreiröhren-Zweikreisempfängers, der in einer Pilotserie bei Oligmüller in Weingarten gebaut wurde. Viele Bastler schworen auf den Limann-Bandfilter-Spulensatz, den neben Oligmüller auch einige weitere Einzelteil-Fabrikanten wie Strasser auf den Markt brachten.

Diese Einzelkämpfer haben gezeigt, welch große Tatkraft sie besaßen und ohne sie hätte unser Land möglicherweise in Lethargie versunken und wäre nicht wieder auf die Beine gekommen. Ihr unerschütterlicher Aufbauwille half auch, den Pfeiler zu fundamentieren, der dereinst das deutsche Wirtschaftswunder tragen würde. Ein dickes Lob gebührt den vielen kleinen Unternehmern der Stunde Null, die schließlich auf der Strecke bleiben mussten, als die Großen wieder das Feld beherrschten.

 

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In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts konnten sich nur die neu gegründeten Firmen Akkord, Becker und Grundig auf ihren jeweiligen Fertigungs-Sparten wie Koffer-, Auto- und Heimradios etablieren und die vorderen Plätze einnehmen.

 

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Max Grundig war einer der herausragenden Nachkriegs-Neugründer. Sein Betrieb wurde zu einem Symbol des Wirtschaftswunders und mit seinem außergewöhnlichen Organisationstalent lehrte er den Konkurrenten das Fürchten. Bereits in den Fünfzigern avancierte er zum Branchenführer. Auf dem Bild ist der Unternehmer mit seinem ersten Radio, dem Heinzelmann, und dem Taschen-Transistorboy aus dem Jahr 1958 zu sehen. Auch Max Grundigs RVF-Bausatzgeräte aus dem Jahr 1946 waren "Notzeit-Radios".

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