7.5 Die "Währungsreform" revolutioniert den Markt. Alte Radiofabriken leben wieder auf 

Es ist beeindruckend zu sehen, wie die deutsche Funkindustrie trotz schwieriger Umstände nach dem Kriegsjahr 1945 langsam wieder auf die Beine kam. Trotz Mangel an Rohstoffen und Halbzeugen und der Verwendung von unterschiedlichen Röhren und Wehrmachtteilen, die oft über- oder unterdimensioniert waren, konnten viele kleine Betriebe mit Flexibilität und Kreativität Kleinserien von Funkgeräten produzieren. Die kritische Betrachtung in der "Funk-Technik" von Februar 1948 zeigt, dass man das Geleistete nicht mit einem strengen Maßstab messen sollte. Vielmehr sollte man die Tatsache bewundern, dass aus Trümmerhaufen Arbeitsstätten und Produktionen wieder aufgebaut wurden. Es war zwar oft Pfusch, aber es war ein Notbehelf und die Industrie hatte den Willen zum Fortschritt. Der Verfasser sieht die Möglichkeit, dass die deutsche Funkindustrie trotz aller Schwierigkeiten nach einiger Zeit wieder eine Rolle auf dem Weltmarkt spielen kann. Es sollte jedoch noch einige Jahre dauern, bis sich diese Prophezeiung erfüllte.

 

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Vier Monate nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1948, wurde ein entscheidender Schritt in Richtung einer besseren Zukunft getan. Am 20. Juni 1948 fand in den drei Westzonen Deutschlands eine Währungsreform statt, die zur Einführung der Deutschen Mark führte. Im Gegensatz zur vorherigen Reichsmark, die nur über Lebensmittelmarken und Bezugscheine eingelöst werden konnte und deren Kaufkraft stark von den Bedingungen des Schwarzmarktes abhing, war die Deutsche Mark von Anfang an eine starke Währung. Sie hatte somit das Ende des Schwarzmarktes eingeleitet.

Für Berlin hatte die Währungsreform jedoch fatale Folgen. Während der Osten Berlins die neue Währung einführen wollte, lehnten die Westmächte dies ab und gaben in den Westsektoren von Berlin neue Banknoten der Deutschen Mark aus. Dies führte zur Blockade Berlins durch die sowjetische Besatzungsmacht und wiederum zu einer Zeit der Entbehrungen und Bedrohungen für die Westberliner, die bis zum 12. Mai 1949 durchhalten mussten. Die Amerikaner und ihre Luftbrücke waren der Grund dafür, dass West-Berlin seine Freiheit bewahren konnte. Die Flugzeuge, die zuvor Bomben transportierten, wurden nun dringend benötigte Hilfsgüter nach Berlin bringen.

 

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Plötzlich tauchte bei Arlt eine umfangreiche Liste mit Röhren auf, die zu Preisen in Deutscher Mark angeboten wurden. Die Zusammenarbeit zwischen Ost und West tendierte gegen Null, und ab diesem Zeitpunkt gab es nicht nur zwei verschiedene Währungen, sondern auch zwei unterschiedliche Wirtschaftssysteme. Auf der einen Seite gab es die Planwirtschaft und auf der anderen Seite die Marktwirtschaft. Die folgenden Überlegungen beziehen sich auf die Ereignisse in Westdeutschland, wo Ludwig Erhard der Wirtschaft freie Fahrt signalisierte. Die Entwicklungen im Osten sind im 10. Kapitel zu finden. Obwohl es in den Westzonen immer noch Lebensmittelrationierungen gab, konnte sich die freie Marktwirtschaft in anderen Bereichen entfalten.

 

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Für den durchschnittlichen Verbraucher war es schwer zu glauben, was sich plötzlich auf dem Markt abspielte. Über Nacht wurden Waren angeboten, die zuvor aufgrund von "Hortung" nicht verfügbar waren. Sogar Radios, für die immer noch Bezugscheine erforderlich waren, wurden verkauft. Nur wenige Monate später wurden Bastler mit Einzelteilen regelrecht überschwemmt. In einem Leitartikel der Juli-Ausgabe 1949 der Zeitschrift "Funk-Technik" hieß es:

"Ein sehr hoher Prozentsatz der über die Währungsreform geretteten Einzelteile und Röhren hat inzwischen seinen Wert verloren, nachdem die Produktion von Qualitätsmaterial begonnen hat und das Bastlergeschäft praktisch zum Erliegen gekommen ist."

 

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Ein Jahr zuvor hätten die Betreiber von Kleinwerkstätten und manche, die bereits eine beachtliche Serienfertigung erreicht hatten, ihre Einzelteile und Röhren noch aus den Händen gerissen bekommen. Aber nach der Währungsreform blieben sie darauf sitzen. Die Betreiber bekamen es mit der Angst zu tun, weil alte Markenfabrikate mit neuen Modellen bevorzugt wurden, auch solche, die eigentlich in der sowjetisch besetzten Zone beheimatet waren. Es bildeten sich jedoch ganze Gruppen von Radiofachleuten aus den traditionsreichen Zentren der mitteldeutschen Rundfunkgeräte-Fertigung, wie Dresden, Leipzig und Staßfurt, die in den Westen zogen und unter Verwendung der alten Markennamen neue Produktionsstätten errichteten. Aber den Nachholbedarf konnten sie noch nicht in vollem Umfang abdecken.

Eine Analyse der Rundfunkproduktion von 1947 bis 1949 in der Zeitschrift "Funk-Technik" im Juli 1949 ergab, dass die Geräteindustrie bis Mitte 1948 das Vielfache an Produkten hätte herstellen können, aber durch das Fehlen von Bauelementen eingeschränkt war. Zum Beispiel konnten Drehkondensatoren aufgrund des Ausfalls von Aluminiumblechen nicht hergestellt werden. Auch Elkos, deren Spezialpapier aus der französischen Zone kam, waren nur in geringen Mengen erhältlich. Die Gehäusefrage war ebenfalls ein Problem, da es in der britischen Zone keine entsprechende Holzindustrie gab und die Hoffnung auf Pressgehäuse sich nicht erfüllte.

Obwohl sich im folgenden Jahr manches verbesserte, lief die Serienproduktion in den noch im Aufbau befindlichen Werken nicht reibungslos. Das gab den Kleinen die Chance, ihre "markenlosen" oder weniger bekannten Radios noch eine Weile zu verkaufen, und zwar zu recht stattlichen Preisen. Wer die letzte Frist nicht verpasste, hatte Glück. Der erste "Radiohunger" wurde bald gestillt und mit den rückläufigen Umsätzen begann ein Überlebenskampf, der die Spreu vom Weizen trennte. Einige sahen die Währungsreform zunächst als Segen, während andere ihren Ruin darauf zurückführten, dass sie auf ihren jetzt unverkäuflichen Beständen sitzen blieben, da zahlreiche in Reichsmark erteilte Aufträge storniert wurden.

 

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Ein Inserat in der Zeitschrift "Funk-Technik" Nr. 13/1949 hätte besser lautet: "Wer möchte 10.000 DM verlieren?" Es war offensichtlich, dass die großen Markenfirmen von der Währungsreform profitierten. Ihre Freude währte jedoch nicht lange. Karl Tetzner schrieb in der "Funk-Technik" im Mai 1949 über die außerordentliche Geldknappheit nach der relativen Geldfülle der Monate Juli bis November 1948, die bereits zu Arbeitslosigkeit und Wirtschaftskrisen geführt hatte. Auch Blaupunkt und Telefunken spürten diese Krise und mussten Entlassungen vornehmen. Über 250 Männer und Frauen verloren 1949 in den Werken Hannover und Dachau ihre Arbeit. Radios waren zu teuer und manche verunsicherte Bürger hofften bereits auf das "Wunder UKW" durch den Kopenhagener Wellenplan.

Die Großfirmen hielten sich mit Umstrukturierungen über Wasser (siehe: AWB im Kapitel 9) und durch Verkäufe auf Ratenzahlung. Während zahlreiche Werkstättenbetriebe nach dem Krieg ihre Türen schließen mussten, konnten sich einige der neu gegründeten Werke noch eine Weile behaupten. Gleichzeitig gab es jedoch drei aufsteigende Unternehmen: die neuen Firmen Akkord, Becker und vor allem Grundig, deren Umsatzkurven steil nach oben zeigten. In der zweiten Hälfte des Jahres 1949 erholten sich auch die Marktführer.

 

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Einige Kleinfirmen versuchten noch, sich mit Lohnaufträgen über Wasser zu halten, aber die meisten mussten aufgeben. Selbst ihre Einzelteile fanden kaum Käufer.

 

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Die Umsätze bei den Kleinbetrieben gingen zurück, während sie bei den großen Unternehmen stiegen (siehe auch Telefunken "Filius" im Kapitel 9).

 

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Obwohl die Tübinger Firma LTP nicht zu den kleinen Unternehmen gehörte und nicht zu den Opfern der Währungsreform zählte, konnte sie im Jahr 1949 mit etwa 450 Arbeitern und Angestellten nicht überleben. 1950 meldete sie Konkurs an und ihre Geräte wurden nicht mehr in den neuen Radiokatalog aufgenommen.

 

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Ein Inserat in der "Funk-Technik" Ausgabe 14/1950 zeigte, dass die "Zauberflöte 4c" im Jahr 1949 258 DM kostete, aber nach dem Konkurs von LTP im Resteverkauf nur noch 145 DM.

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